Holzpreise steigen: Was tun? - [SCHÖNER WOHNEN]

2022-10-08 17:37:47 By : Mr. David Hu

Da ist der Architekt, der für sein Haus einen Anbau in Holzrahmenbauweise plant, Materialkosten gut 10.000 Euro. Nach einem Monat ist der Bauantrag genehmigt, die Bestellung an den Holzhändler geht raus, plötzlich liegt die Rechnungssumme bei 11.000 Euro: Die Preise für Konstruktionsholz sind inzwischen explodiert. Oder die Familie aus der Nachbarschaft, die im Frühjahr verzweifelt nach einem Holzschuppen für den Reihenhausgarten sucht, sich nicht auf Lieferfristen von drei bis vier Monaten einstellen will – und am Ende bei einer betrügerischen Website landet, die die Kunden mit dem Satz "In vier bis fünf Tagen versandfertig“ ködert.

Ein Fake-Shop also, nicht für Sneaker oder iPhones, sondern für Gartenhäuser? Es sind Anekdoten wie diese, die zeigen: Der Rohstoff Holz ist zum begehrten Gut geworden. Auf dem Holzmarkt hat eine Entwicklung eingesetzt, die über die üblichen Preisschwankungen deutlich hinausgeht. Wie das Statistische Bundesamt meldet, verteuerte sich Konstruktionsvollholz im Mai 2021 um 83,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, Dachlatten um 45,7 Prozent und Bauholz um 38,4 Prozent. Die Preise steigen in immer absurdere Sphären – für ein Material, das weder endlich ist noch als besonders exklusiv gilt. Was ist da los?

Verstehen lässt sich der Holz-Boom nur mit Blick nach Übersee. Bauholz wird global gehandelt; wenn in einem Teil der Erde die Nachfrage steigt, treibt das weltweit den Preis. Genau das passiert gerade. In den USA und Kanada wird wegen der niedrigen Zinsen gebaut wie verrückt, während die dortige Holzindustrie – eine der umsatzstärksten der Welt – nach Jahren der Dürre und Schäden durch den Bergkiefernkäfer den Bedarf derzeit nicht mehr decken kann. So wird Deutschland, eines der waldreichsten Länder der EU, zum großen Player auf dem Exportmarkt. Die Gewinnsprünge landen dabei kaum bei den Waldbesitzern, sondern zum größeren Teil bei den Sägewerken, die den Rohstoff erst in verarbeitbare Form und dann auf den Weltmarkt bringen. Das Ergebnis: Holz ist nicht nur teuer, sondern auch knapp geworden – mit gravierenden Folgen für den Hausbau hierzulande. Denn Holz lässt sich, etwa beim Dachstuhl, nicht einfach so ersetzen. Da beim Bau viele Gewerke ineinandergreifen und es auch bei anderen Baustoffen aufgrund der weltweiten Nachfrage Engpässe gibt, drohen monatelange Verzögerungen, die zurzeit viele Bauherren um den Schlaf bringen.

Der Mangel an Nachschub macht aber nicht nur der Baubranche, sondern auch den Möbelherstellern zu schaffen. Bei Stühlen oder Tischen aus Massivholz liegt das nahe – doch auch dort, wo man es nicht sieht, spielt Holz im Möbelbau noch immer eine zentrale Rolle, etwa in Form von Spanplatten. Mehr als zwei Drittel der Betriebe berichten in einer aktuellen Umfrage des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM) von Problemen bei der Versorgung mit Holzwerkstoffen. „Diese Engpässe führen zu einer erheblichen Störung der Wertschöpfungs- und Logistikprozesse“, beklagt VDM-Geschäftsführer Jan Kurth. Die Folgen zeigen sich bei Unternehmen wie der Tischlerei Stattmann, die im Münsterland hochwertige Möbel und Innenausbauten produziert. „Zum Glück arbeiten wir mit unseren Lieferanten zum Teil schon seit Jahrzehnten zusammen, sodass wir uns auf gute Konditionen verlassen können“, sagt Nicola Stattmann, die den Betrieb mit ihrem Bruder Oliver führt. Trotzdem hatten sie in den letzten 20 Monaten mit Preissteigerungen von zehn bis 20 Prozent zu kämpfen, die sie zumindest im laufenden Jahr nicht an die Kunden weitergeben können: Preislisten sind gedruckt, Angebote für größere Projekte geschrieben. Die Mehrkosten teilen sie sich daher mit Händlern und Auftraggebern – ein fairer Deal, wie Stattmann betont.

Und wie geht es weiter? „Wichtig ist, dass der heimische Holzhandel auch langfristig genügend gutes und bezahlbares Holz für den hiesigen Markt zurückhält“, sagt sie. „Letztlich sind weltweit alle Designer, Architekten, Innenarchitekten und Hersteller gefragt, mit heimischen Materialien zu arbeiten – sorgfältig und verantwortungsvoll.“

Im Interview mit dem Experten Florian Becker, Geschäftsführer der Bauherren-Schutzbund e. V.: „Genau hinschauen und bloß keine falschen Kompromisse machen."

SCHÖNER WOHNEN: Dass Holz teurer geworden ist, haben viele Bauherren schmerzhaft feststellen müssen. Welche Materialien sind noch von Preissteigerungen betroffen? Florian Becker: Alle Baustoffe, die auf Erdöl basieren, etwa Bitumen zur Abdichtung von Dächern und Kellern, Dämmplatten aus Kunststoff und sogar Stromkabel – wegen der Ummantelung. Bei manchen Produkten ist das Verpackungsmaterial der Knackpunkt, etwa bei Farbeimern. Daran sieht man, dass sich das Problem durch das ganze Haus zieht; fast alle Baumaßnahmen sind direkt oder indirekt betroffen. Warum gerade Kunststoffe? Die Preise für Erdöl sind in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Hinzu kommen Produktionsengpässe und Transportprobleme, verstärkt durch die Covid-19-Pandemie. Wenn gleichzeitig die Nachfrage auf dem Weltmarkt konstant bleibt oder sogar steigt, werden die Produkte teurer oder sind erst gar nicht verfügbar. Gibt es auch Materialien, die preisstabil sind? Ja: Baustoffe auf mineralischer Basis, die vor Ort produziert werden – etwa Ziegel, Dachziegel oder Beton. Letzterer hat auch eine Preissteigerung hinter sich, aber die Versorgungslage ist gut. Die Kosten sind das eine, die Verfügbarkeit das andere. Was macht Bauherren gerade größere Sorgen? Tatsächlich Letzteres. Dass Baustoffe teurer werden, ist natürlich unschön, doch damit kann man kalkulieren. Beim Neubau, aber auch beim Umbauen und Renovieren ist die Verfügbarkeit des Materials gerade das viel größere Problem. Da kommt man auf der Baustelle zum Beispiel einfach nicht weiter, weil Holz für den Dachstuhl fehlt. Und wenn der Elektriker auf seine Kabel wartet, stockt der Innenausbau. So wirkt sich die Materialknappheit bei einzelnen Gewerken letztlich auf den gesamten Bauablauf aus.

Was raten Sie Bauherren? Eine naheliegende Idee wäre, auf andere Materialien auszuweichen, aber das Beispiel mit dem Dachstuhl zeigt, dass das manchmal gar nicht möglich ist. Bei Dämmstoffen oder Farben mag das sinnvoll sein, der Markt ist ja voller Alternativen. Aber man kann nicht einfach ein anderes Holz für die Dachlatten nehmen – sonst kriegt man unter Umständen Probleme mit der Haltbarkeit. Also: Wer auf andere Materialien ausweicht, sollte genau hinschauen, keine falschen Kompromisse machen und im Zweifelsfall lieber eine längere Bauphase in Kauf nehmen. Die lässt sich sowieso kaum vermeiden, oder? Richtig. Selbst wenn Unternehmen zusagen, im üblichen Zeitrahmen fertig zu sein, sollten Bauherren unbedingt einen Zeitpuffer einbauen. Es ist ärgerlich, wenn die alte Wohnung schon gekündigt ist und sich der Einzug um drei Monate verzögert, weil keine Kabel zu bekommen sind. Wer trägt die Mehrkosten, wenn ich mit einem Handwerker oder Massivhausanbieter einen Pauschalpreis vereinbart habe? Das ist rechtlich eindeutig: Die vereinbarte Pauschale gilt. Preissteigerungen sind Teil des Geschäftsrisikos des Unternehmens. Trotzdem verschicken viele Firmen zurzeit Briefe mit Nachtragsforderungen ... Unser Rat ist: zur Kenntnis nehmen, aber nicht reagieren. Wer dagegen angeht, riskiert, dass der Betrieb die Arbeiten einstellt. Von höherer Gewalt, die oft angeführt wird, kann auch bei Baustoffknappheit und Zeitverzug kaum die Rede sein. Übrigens ist die Gewinnspanne zumindest bei großen Baufirmen nicht so gering, dass sie das nicht verkraften könnten. Bei kleinen Handwerksbetrieben mag das anders sein, da kann man sich individuell einigen. Wird sich die Lage bei den Baustoffen demnächst wieder entspannen? Bei der Verfügbarkeit kann man damit rechnen, dass sich die Situation wieder bessert, denn wo eine Nachfrage ist, gibt es ein wirtschaftliches Interesse, sie zu befriedigen. Die Preise werden dort, wo sie gerade extrem hoch sind, bei besserer Versorgungslage wieder etwas sinken, aber über dem Vor-Krisen-Niveau bleiben – viele Hersteller und Händler werden die Gelegenheit für eine Preiserhöhung nutzen.

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